Review | 1×04 | 73 Yards

Doctor Who

„73 Yards“


Erstausstrahlung: 25. Mai 2024

Drehbuch: Russell T Davies 
Regie: Dylan Holmes Williams
Produktion: Russell T Davies, Julie Gardner, Jane Tranter,
Joel Collins, Phil Collinson & Vicki Delow

Der Doktor: Ncuti Gatwa
Ruby Sunday: Millie Gibson


Der Doktor und Ruby landen an der walisischen Küste und begeben sich auf die seltsamste Reise ihres Lebens. In einem verregneten Pub sitzen die Einheimischen in Angst vor alten Legenden, die zum Leben erwachen.


Schon vor Monaten verkündete Showrunner und Autor dieser Episode, Russell T Davies, dass dies das beste Drehbuch sei, das er jemals für Doctor Who geschrieben habe. Und gerade nach der ernüchternden Erkenntnis, dass selbst die seit dem 60. Jubiläum erschienenen Storys mit dem Etikett „Noch nie dagewesen“ letztlich alles andere als originell waren, darf man solchen Aussagen natürlich skeptisch – aber auch neugierig – gegenüberstehen. Und dann stellt sich heraus, dass die Folge tatsächlich frisch, spannend, originell und mitreißend ist – bis das Ende kommt und alles kaputt macht … Aber der Reihe nach!

Wer guckt schon wo er hintreten kann?

Der Doktor und Ruby landen auf einer Klippe in Wales. Erstaunlicherweise beginnt die Handlung dieser Episode genau so wie in „Boom„, der direkten Vorgänger-Episode – nämlich damit, dass der Doktor aus der TARDIS stolziert und auf etwas tritt, ohne hinzusehen. Ob das ein heimlicher roter Faden ist? Wir erinnern uns, nicht nur der Doktor ist in den bisherigen 4 Folgen dieser Staffel auf Dinge getreten, ohne hinzusehen, auch Ruby ist das schon in der ersten Folge passiert, als sie in der Urzeit auf einem Schmetterling getrampelt ist … Zufall? Vermutlich. Diesmal war es kein umgebauter Staubsauger-Roboter und kein Schmetterling, sondern ein „Feenkreis“, eine Art magisches Ritual, um … um böse Geister fernzuhalten oder so. Aber weil der Doktor Trampeltier gespielt und damit einen bösen Fluch heraufbeschworen hat, ist er plötzlich verschwunden und Ruby ist ganz allein. Naja… das stimmt nicht ganz, denn von nun an wird Ruby die ganze Zeit von einer mysteriösen alten Frau verfolgt, die immer genau 73 Yards (oder 66 Meter) von ihr entfernt steht. Schade, dass man sich nicht die Mühe gemacht hat, „Every Breath you take“ von The Police zu lizensieren – das wäre die perfekte Untermalung gewesen.

Lauf, Mutti, lauf!

Ruby, verwirrt und misstrauisch wegen ihres nunmehr dauerhaft an ihr hängenden Schattens, verschlägt es in ein kleines walisisches Dorf, wo sie direkt mit diversen Pub-Besuchern aneinandergerät, die in forciertester Weise einen „Du hältst uns wohl für Hinterwäldler“-Konflikt heraufbeschwören. Wenn Ruby dann von den Ereignissen auf der Klippe erzählt, fühlt man sich ebenfalls direkt in die klischeehafteste „Es gibt eine alte Legende“-Geschichte versetzt, bis sich (zum Glück) herausstellt, dass die Pub-Besucher sie nur verarscht haben. Scheint so ein Fetisch der geselligen Runde zu sein. Die Szene hätte allerdings etwas kürzer sein können, denn der Witz zieht sich doch ziemlich in die Länge. Na ja, irgendwann erbarmt sich dann doch jemand und will mit der mysteriösen alten Frau reden, die Ruby verfolgt. Aber wir müssen mit ansehen, wie die Person plötzlich Reißaus nimmt und in Panik davonläuft – was kann die Frau nur gesagt haben?

„Du widerst mich an!“

Ab hier nimmt die Folge Fahrt auf, Tempo und Spannung werden deutlich erhöht. Und auch auf Drama wird nicht verzichtet – denn selbst Rubys Mutter flüchtet panisch vor der mysteriösen Frau und will fortan nichts mehr mit ihrer Tochter zu tun haben – sie erwirkt sogar eine einstweilige Verfügung. Erster Timeskip und die allzeit hilfsbereite Kate Stewart taucht auf, nur um sich ebenfalls angewidert von Ruby abzuwenden. Spätestens hier wird klar, dass Ruby in jeder Hinsicht verflucht ist und nun quasi damit leben muss. Das tut sie auch, über viele Jahre hinweg. Zwar kauft man der mit Perücke und Brille ausgestatteten Millie Gibson die nach einem weiteren Zeitsprung bereits 40-jährige Ruby optisch nicht ab, aber es geht spannend weiter. Ruby hat sich inzwischen an das Leben mit ihrer geheimnisvollen Begleiterin gewöhnt und beginnt schließlich als Mitarbeiterin von Roger Ap Gwilliam zu arbeiten, einem Politiker, den der Doktor zu Beginn der Episode noch als den schlimmsten Premierminister der Geschichte bezeichnet hat, weil er das Land in einen Atomkrieg führen wollte. Aber Ruby hat einen Plan: Wenn alle durchdrehen, wenn sie mit der mysteriösen alten Frau reden, dann muss sie nur dafür sorgen, dass sie genau 73 Yards von Roger Ap Gwilliam entfernt steht, und schon ist das Problem gelöst. Und so ist es auch. Der Kerl dreht durch, rennt weg und schmeißt seine Politikerkarriere hin. Ruby hat die Welt gerettet und fragt sich zu Recht – war das der Sinn des Ganzen?

Definitiv eine 40-jährige Frau!

Wer den Sinn des Ganzen in dieser Episode sucht, ist bei Russell T Davies falsch. Er gibt sich nicht einmal die Mühe, irgendetwas zu erklären. Am Ende, nach weiteren 40 Jahren Zeitsprung, sehen wir die alte Ruby im Krankenhausbett, die plötzlich Besuch von der mysteriösen Frau bekommt. Schließlich stellt sich heraus, dass sie selbst die alte Frau ist und auf einmal an dem Ort steht, an dem alles begann. Aus der Ferne beobachtet sie, wie ihr jüngeres Ich mit dem Doktor aus der TARDIS steigt und vor dem Feenkreis steht. Doch diesmal ändert sich die Geschichte, der Doktor tritt nicht auf den verfluchten Kreis, woraufhin die alte Ruby einfach verschwindet. Das war’s. Keine Erklärung oder so. Einfach Back to Business. Da darf man sich schon verarscht fühlen.

Sie konnte ein gutes Ende schon fast greifen…

Bis zum Schluss war es eine spannende, in weiten Teilen originelle und mitreißende Geschichte, bei der man natürlich gespannt war, wie das Ganze aufgelöst wird. Dass man sich, sei es aus Desinteresse oder aus reiner Unfähigkeit, davor gescheut hat, eine Erklärung in irgendeine Richtung zu geben, ist nicht nur enttäuschend, sondern auch ärgerlich. Vor allem führt es dazu, dass manches einfach keinen Sinn ergibt. Wenn die alte Ruby der jungen nichts Böses wollte, was hat sie dann zu all den Leuten gesagt, die Ruby von da an hassten und wegliefen? „Ich bin Ruby und ich furze gerne“? Warum hassen alle Ruby, leben aber scheinbar normal (ohne sie) weiter, während Roger Ap Gwilliam seine Karriere beendet? Warum hat sich die Zeitlinie am Ende geändert, wenn die alte Ruby doch genau das Gleiche getan hat wie zu Beginn der Episode? Ich könnte noch viel mehr Fragen stellen, aber am Ende bleibt nur eines: Es spielt keine Rolle, weil es dem Autor scheißegal ist.


Fazit

Bis 5 Minuten vor Ende hätte die Episode 4-4,5 Punkte verdient. Aber das Ende macht so viel kaputt, dass es einen ratlos und wütend zurücklässt. So sehr, dass man nicht einmal spekulieren oder darüber nachdenken möchte, weil es dem Autor selbst egal war, wie und warum alles passiert ist. Eine gute Idee, eine tolle Umsetzung, eine spannend inszenierte Folge mit dem wohl enttäuschendsten Ende aller bisherigen Doctor Who-Folgen. Und das, wo hier wirklich eine kleine Kultfolge hätte entstehen können, die sich deutlich von den bisherigen abhebt. Chance vertan, schade.


Bewertung: 3 von 5 TARDISse


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André McFly
Gründer & Chefredakteur
Ich bin seit über 10 Jahren Doctor Who Fan und hatte 2013 die Idee für eine deutsche Doctor Who Reviewseite. Über die Jahre hat sich der Whoview allerdings zu mehr als nur einer Reviewseite entwickelt und so schreibe ich heute vor allem News und Rezensionen. Ich bin auch jährlich auf der Timelash als Presse zu Gast und veröffentliche meine Eindrücke hier auf der Seite. Fernab von Doctor Who betreibe ich mehrere Podcasts, mache Musik und versuche mich als Autor.
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André McFly

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fizzbin
fizzbin
3 Monate her

Stimmt: es wäre eine Schöne Folge, geheimnisvoll, mysteriös, vielleicht auch eine Prise unheimlich. Und die Leute im walisischen Dorf – irgendwie waren die creepy. Hatte eigentlich schon eher in der Folge überlegt ob diese geheimnisvolle Frau nicht Ruby selbst ist. Tja und dann kam das Ende – und es war Ruby selbst und man fragt sich: – warum rennen dann alle weg? Und Rubys Ziehmutter hatte ein Gesicht im Taxi was irgendwie auch von Verachtung trotzte. Die Sache mit den Yards und dem Premierminister: irgendwie genial. Aber dennoch keine Auflösung. Aber als wir dann wieder am Beginn der Folge landeten… Mehr lesen »