Der 2. Doktor

Der 2. Doktor

Patrick Troughton

Es war der Moment, der alles veränderte. Als der erste Doktor 1966 auf dem Boden der TARDIS zusammenbrach, hielt das Publikum den Atem an. Niemand wusste, was passieren würde, denn so etwas hatte es im Fernsehen noch nie gegeben. Das vertraute, strenge Gesicht des alten Mannes verblasste, und an seiner Stelle erschien ein völlig fremder, jüngerer Mann mit einem Beatles-Haarschnitt, einer zu großen Jacke und einem schelmischen Grinsen. In diesem Moment wurde das Konzept der Regeneration geboren, und mit ihm trat der zweite Doktor auf die Bühne – eine Figur, die das Überleben der Serie erst möglich machte.


Teil I: Der Wolf im Schafspelz

Ein radikaler Wandel

Der zweite Doktor war in jeder Hinsicht das Gegenteil seines Vorgängers. Wo der erste Doktor herrisch, aristokratisch und oft unnahbar wirkte, war diese neue Inkarnation chaotisch, warmherzig und scheinbar harmlos. Er sah aus wie ein „kosmischer Landstreicher“ (Cosmic Hobo). Seine Hosen waren kariert und zu weit, er trug eine zerknitterte Fliege, und in seinen Taschen fanden sich unzählige nutzlose Dinge, von Gummibändern bis zu einer 500 Jahre alten Blockflöte, auf der er in Momenten des Nachdenkens oder des Stresses spielte.

Doch dieses clowneske Äußere war eine brillante Tarnung. Der zweite Doktor nutzte seine scheinbare Unbeholfenheit als Waffe. Er ließ seine Gegner – größenwahnsinnige Computer, Diktatoren und Monster – in dem Glauben, er sei ein Narr. Er spielte den Dummen, damit sich seine Feinde sicher fühlten und ihre Pläne offenbarten. Doch hinter den funkelnden Augen arbeitete ein messerscharfer Verstand. Er war manipulativer als sein Vorgänger, ein Spieler, der das Chaos liebte und seine Freunde wie Schachfiguren bewegte, um das Böse mattzusetzen.

Die Ära der „Base Under Siege“

Die Abenteuer des zweiten Doktors waren oft von einer beklemmenden Atmosphäre geprägt. Seine Ära ist bekannt für das „Base Under Siege“-Format. Ob auf einer Mondstation, in einer Erdölraffinerie oder in einem Kloster im Tibet – der Doktor und seine Freunde waren oft isoliert, eingesperrt mit einer kleinen Gruppe von Menschen, während draußen (oder drinnen) Monster lauerten, die sie vernichten wollten.

In dieser Zeit trafen sie auf einige der ikonischsten Gegner. Die Cybermen kehrten zurück, robuster und bedrohlicher als zuvor, und in den „Gräbern der Cybermen“ auf Telos musste der Doktor seine ganze List aufbieten, um sie wieder einzufrieren. Er traf erstmals auf die Eiskrieger vom Mars und die Große Intelligenz, die Roboter-Yetis steuerte – einmal im Himalaya und einmal, in einer der berühmtesten Geschichten überhaupt, in den Tunneln der Londoner U-Bahn (Das Netz der Angst). Auch die Daleks waren präsent, und in einer epischen Schlacht (The Evil of the Daleks) glaubte der Doktor sogar, sie endgültig besiegt zu haben.

Eine Familie auf Reisen

Was den zweiten Doktor besonders auszeichnete, war seine Beziehung zu seinen Begleitern. Die Distanz des ersten Doktors war verschwunden; der zweite Doktor war eher wie ein exzentrischer Onkel oder ein enger Freund.

Anfangs reiste er noch mit Ben und Polly, die Zeugen seiner Verwandlung waren und ihm halfen, sich in seiner neuen Haut zurechtzufinden. Doch das prägendste Team bildete sich kurz darauf.

In Schottland des Jahres 1746 traf er auf den jungen Jamie McCrimmon. Jamie, ein Jakobit, der kaum Technologie kannte, wurde zum loyalsten Freund, den der Doktor je hatte. Ihre Beziehung war eine echte „Bromance“, lange bevor es dieses Wort gab. Jamie war der Mann für das Grobe, der den Doktor beschützte, während der Doktor ihm das Universum erklärte.

Ergänzt wurde dieses Duo oft durch hochintelligente oder sehr emotionale Frauen. Da war Victoria Waterfield, ein viktorianisches Waisenkind, das die Beschützerinstinkte der beiden Männer weckte, und später Zoe Heriot, ein Genie aus dem 21. Jahrhundert, deren Intellekt dem des Doktors ebenbürtig war. Zusammen bildeten sie eine enge Familie, die sich blind vertraute.

Das Ende der Flucht

Doch der Doktor war immer noch ein Flüchtling, und seine Flucht konnte nicht ewig dauern. In seinem letzten großen Abenteuer, Kriegsspiele, deckte er eine Verschwörung einer Rasse auf, die Soldaten aus verschiedenen Erdkriegen entführte, um sie gegeneinander kämpfen zu lassen. Die Situation war so katastrophal, dass der Doktor erkannte: Er allein konnte das nicht lösen.

Er tat das Undenkbare und rief sein eigenes Volk, die Time Lords, um Hilfe. Er wusste, dass dies sein Ende bedeuten würde. Die Time Lords beendeten den Krieg, aber sie stellten den Doktor vor Gericht. Die Anklage: Einmischung in die Angelegenheiten anderer Planeten. Der Doktor verteidigte sich leidenschaftlich: „Während ihr nur zuseht, habe ich gegen das Böse gekämpft!“

Das Urteil war dennoch hart. Er wurde ins Exil verbannt. Sein Zielort: Die Erde im 20. Jahrhundert. Und als letzte Strafe zwangen sie ihn zur Regeneration. Während er sich noch beschwerte und schrie, dass er sein Gesicht behalten wolle, begann er sich im schwarzen Nichts zu drehen und verschwand.


Teil II: Patrick Troughton – Der Mann der tausend Gesichter

Ein Leben vor der Zeitmaschine

Patrick George Troughton wurde am 25. März 1920 in Mill Hill, London, geboren. Anders als Hartnell kam er aus einem gutbürgerlichen Hintergrund und erhielt eine klassische Schauspielausbildung in den USA. Doch bevor seine Karriere richtig beginnen konnte, brach der Zweite Weltkrieg aus.

Troughton diente in der Royal Navy und kommandierte unter anderem Kanonenboote in der Nordsee. Er war ein dekorierter Kriegsheld, doch wie viele seiner Generation sprach er selten über diese traumatischen Erlebnisse. Er trug, wie man erzählte, sogar im Gefecht oft eigenwillige Kleidung, um sich warm zu halten – ein früher Hinweis auf seine spätere Exzentrik.

Nach dem Krieg kehrte er zur Schauspielerei zurück. Er war kein Mann, der den Ruhm suchte, sondern ein Charakterdarsteller durch und durch. Er war extrem wandlungsfähig. Im britischen Fernsehen wurde er der erste Robin Hood, spielte in Shakespeare-Stücken und verkörperte historische Figuren. Er trug so viele verschiedene Masken, Bärte und Akzente, dass er sich den Ruf erarbeitete, der „Mann der tausend Gesichter“ zu sein. Er wollte nie erkannt werden; er wollte in seinen Rollen verschwinden.

Die unmögliche Aufgabe

Als William Hartnell die Serie verlassen musste, standen die Produzenten vor einem riesigen Problem. Wie ersetzt man den Hauptdarsteller, ohne die Serie zu töten? Hartnell selbst war es, der Patrick Troughton vorschlug. Er respektierte Troughton als einen der wenigen Schauspieler, die ihm das Wasser reichen konnten.

Troughton zögerte. Doctor Who war ein Knochenjob, und er hatte Angst, wie Hartnell auf eine Rolle festgelegt zu werden. Doch die Idee, den Charakter völlig neu zu erfinden, reizte ihn. Er überlegte kurz, den Doktor als „harten Hund“ oder sogar als Kapitän mit Turban zu spielen, entschied sich dann aber, inspiriert von Charlie Chaplin, für die Figur des traurigen Clowns. Er wollte eine Figur schaffen, die von Kindern geliebt, aber von Erwachsenen nicht sofort durchschaut wurde.

Arbeitsethos und Privatsphäre

Am Set war Troughton beliebt, aber er forderte Disziplin. Er war als notorischer Witzbold bekannt (ein „Practical Joker“), der die Stimmung am Set auflockerte, um den enormen Druck der Dreharbeiten erträglich zu machen. Doch sobald die Kamera lief, war er hochkonzentriert.

Privat war er ein Rätsel. Er hasste Interviews. Seine Philosophie war: „Ich bin Schauspieler. Ich spiele Rollen. Mein Privatleben geht niemanden etwas an.“ Er glaubte, dass, wenn das Publikum zu viel über ihn wüsste, sie ihm seine Rollen nicht mehr abnehmen würden. Er führte ein komplexes Privatleben (er hatte zwei Familien, die er mehr oder weniger parallel managte), was seinen Wunsch nach Privatsphäre noch verstärkte.

Die „Troughton-Regel“

Nach drei Jahren, 1969, entschied Troughton, dass es genug war. Er spürte, dass ihm die Ideen ausgingen und die Erschöpfung einsetzte. Vor allem aber fürchtete er das „Typecasting“. Er etablierte damit unbewusst die sogenannte „Troughton-Regel“, an die sich viele spätere Doktoren (wie Peter Davison oder Matt Smith) hielten: Drei Jahre sind die perfekte Zeitspanne – lang genug, um die Rolle zu prägen, kurz genug, um nicht darin gefangen zu bleiben.

Das Leben nach der TARDIS

Troughtons Plan ging auf. Im Gegensatz zu Hartnell hatte er nach Doctor Who eine blühende Karriere. Er spielte in Horror-Klassikern wie Das Omen (wo er einen der spektakulärsten Filmtode der Geschichte starb – aufgespießt von einem Blitzableiter) oder in Sinbad und das Auge des Tigers. Er war im britischen Fernsehen allgegenwärtig, oft als Bösewicht oder weiser alter Mann.

Doch er kehrte immer wieder zu Doctor Who zurück. Er liebte die Rolle, solange er sie nicht jeden Tag spielen musste. In den Folgen The Three Doctors (1973), Die Fünf Doktoren (1983) und Androiden in Sevilla (1985) schlüpfte er wieder in die karierten Hosen. Besonders mit dem dritten Doktor, Jon Pertwee, verband ihn eine spielerische Rivalität auf dem Bildschirm und eine tiefe Freundschaft im echten Leben.

Ein Ende im Dienst der Fans

Das Ende von Patrick Troughton ist fast so legendär wie sein Leben. Im März 1987 war er zu Gast auf einer Science-Fiction-Convention in Columbus, Georgia, USA. Er war bester Laune, scherzte mit den Fans und genoss die Feierlichkeiten zu seinem bevorstehenden Geburtstag.

Am Morgen des 28. März 1987 erlitt er nach dem Frühstück einen massiven Herzinfarkt und starb sofort. Er wurde 67 Jahre alt – exakt dasselbe Alter, in dem William Hartnell gestorben war.

Patrick Troughton rettete Doctor Who. Wäre er gescheitert, wäre die Serie 1966 geendet. Er bewies, dass der Doktor mehr als nur ein Schauspieler ist, dass die Figur sich wandeln und anpassen kann. Er nahm die Strenge heraus und fügte Witz, Wärme und eine Prise Anarchie hinzu. Viele spätere Darsteller, darunter Matt Smith und Colin Baker, nannten ihn ihren absoluten Lieblingsdoktor und ihr größtes Vorbild. Er war der Beweis dafür, dass Veränderung nicht das Ende bedeuten muss, sondern der Anfang von etwas Wunderbarem sein kann.


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