Der 11. Doktor

Der 11. Doktor

Matt Smith

Wie folgt man einem Gott? Nachdem David Tennant die Serie zu einem globalen Phänomen gemacht hatte, glaubten viele, Doctor Who würde ohne ihn sterben. Doch dann stürzte eine brennende TARDIS in den Garten eines kleinen schottischen Mädchens. Heraus kletterte ein schlaksiger Mann mit nassen Haaren, der Appetit auf Äpfel, Joghurt und Speck hatte, bevor er sich entschied, dass Fischstäbchen mit Vanillesoße das einzig Wahre sind. In diesem Moment wandelte sich die Serie von einer Science-Fiction-Oper in ein dunkles Märchen. Der elfte Doktor war da – ein uraltes Wesen mit dem Gesicht eines Studenten.


Teil I: Der verrückte Mann in der blauen Kiste

Ein Märchenprinz aus dem All

Der elfte Doktor war ein Bündel aus Widersprüchen. Er war der jüngste Schauspieler, der je die Rolle spielte, aber er verkörperte einen Doktor, der sich älter anfühlte als alle seine Vorgänger. Er wirkte oft wie ein zerstreuter Professor, der in einen Jungbrunnen gefallen war. Er fuchtelte wild mit den Armen, stieß gegen Möbel und bewegte sich wie eine „betrunkene Giraffe“.

Sein Modegeschmack war so exzentrisch wie er selbst: Tweedjacken mit Flicken an den Ellbogen, Hochwasserhosen und vor allem: eine Fliege. „Fliegen sind cool“, verkündete er trotzig, egal wie oft man ihn auslachte. Später kamen noch ein Fez und ein Stetson hinzu. Er war ein Geek, der sich nicht darum scherte, was andere dachten.

Doch hinter dieser clownesken Fassade verbarg sich eine tiefe, uralte Traurigkeit und eine gefährliche Wut. Er war gut zu Kindern, verstand sie besser als Erwachsene, aber wenn man seine Freunde bedrohte, konnte er Armeen allein durch Worte in die Flucht schlagen. Er war der „Mann, der die Monster vergisst“, weil er selbst das größte Monster sein konnte, wenn er die Kontrolle verlor.

Das Mädchen, das wartete

Seine Geschichte begann mit Amelia Pond. Er traf sie als kleines Kind, versprach, in fünf Minuten zurückzukommen, und kam versehentlich zwölf Jahre zu spät. Aus Amelia war Amy geworden, eine zynische junge Frau, die ihren „zerlumpten Doktor“ (Raggedy Doctor) für einen imaginären Freund hielt, der sie im Stich gelassen hatte.

Amy Pond und ihr Verlobter (später Ehemann) Rory Williams wurden zur Familie des Doktors. Es war eine Ära der familiären Verwicklungen. Rory, der anfangs unsicher war, entwickelte sich zum „Letzten Zenturio“, einem Mann, der 2000 Jahre lang eine Kiste bewachte, um Amy zu beschützen.

Und dann war da River Song. Die mysteriöse Archäologin mit dem Lockenkopf, die den Doktor schon kannte, als er sie noch nicht kannte. Ihre Liebesgeschichte lief rückwärts: Sein erstes Treffen war ihr letztes. Die Enthüllung ihrer wahren Identität – dass sie Melody Pond ist, die Tochter von Amy und Rory, entführt und zur Waffe gegen den Doktor erzogen – war einer der komplexesten Handlungsbögen der Seriengeschichte.

Die Risse im Universum

Die Ära des elften Doktors war geprägt von großen, übergreifenden Mysterien. Zuerst waren es die Risse in der Zeit, die Dinge aus der Existenz löschten. Dann kam „Die Stille“ (The Silence) – gruselige Kreaturen im Anzug, die man sofort vergisst, sobald man wegschaut. Sie manipulierten die Menschheit seit der Steinzeit, nur um den Doktor zu töten.

Der Doktor musste seinen eigenen Tod vortäuschen, heiratete River Song in einer kollabierenden Zeitlinie und löschte schließlich alle Aufzeichnungen über seine Existenz aus den Datenbanken des Universums. Er wollte wieder ein Schatten sein, ein Mythos, statt eines Kriegers.

Das unmögliche Mädchen

Nach dem tragischen Verlust von Amy und Rory an die Weinenden Engel (in Die Macht des Wortes), zog sich der Doktor in eine Wolke aus Depression zurück. Er lebte auf einer Wolke im viktorianischen London und weigerte sich, zu helfen.

Erst Clara Oswald holte ihn zurück. Clara war das „unmögliche Mädchen“, das er immer wieder sterben sah – in der Zukunft als Dalek, in der Vergangenheit als Gouvernante. Das Rätsel um ihre Existenz führte sie schließlich nach Trenzalore, dem Ort, an dem der Doktor begraben sein sollte.

Die Zeit des Doktors

Das Ende des elften Doktors war episch und herzzerreißend. Er landete auf dem Planeten Trenzalore in einer Stadt namens Weihnachten (Christmas). Durch einen Riss im Universum wollten die Time Lords zurückkehren, was einen neuen Zeitkrieg ausgelöst hätte.

Um das zu verhindern, blieb der Doktor. Er rannte nicht weg. Er blieb und beschützte diese kleine Stadt. Er wurde alt dort. Wir sahen ihn altern, über Jahrhunderte, bis er ein gebrechlicher, alter Mann war, der Spielzeug für die Kinder schnitzte und die Daleks nur noch mit Tricks fernhalten konnte.

Er hatte keine Regenerationen mehr übrig. Er war bereit, an Altersschwäche zu sterben. Doch Clara flehte die Time Lords durch den Riss an, ihn zu retten. Sie schenkten ihm einen neuen Zyklus.

Die Regenerationsenergie, die er freisetzte, war so gewaltig, dass sie eine Dalek-Flotte vom Himmel holte. Wieder jung (ein Nebeneffekt des Beginns der Regeneration), verabschiedete er sich in der TARDIS von Clara. Er halluzinierte eine letzte Vision von Amy Pond, die ihm „Gute Nacht“ sagte.

Er nahm seine Fliege ab, ließ sie fallen und sagte: „Ich werde mich immer daran erinnern, als der Doktor ich war.“ Dann zuckte sein Kopf zurück, und die intensiven Augen von Peter Capaldi starrten Clara an.


Teil II: Matt Smith – Der verhinderte Fußballstar

Ein Traum zerbricht

Matthew Robert Smith wurde am 28. Oktober 1982 in Northampton geboren. Als Kind hatte er absolut kein Interesse an der Schauspielerei. Sein Leben war Fußball. Er war talentiert, spielte in den Jugendmannschaften von Northampton Town, Nottingham Forest und Leicester City. Er war auf dem besten Weg zum Profi.

Doch dann kam die Diagnose: Spondylolyse, eine schwere Rückenverletzung. Mit 16 Jahren war der Traum vorbei. Sein Arzt verbot ihm den Profisport. Für den jungen Matt brach eine Welt zusammen. Er fiel in eine Depression, fühlte sich seiner Identität beraubt.

Es war ein Lehrer, Mr. Jerry Hardingham, der ihn rettete. Er sah etwas in Matt und drängte ihn, in einem Theaterstück ( Die zwölf Geschworenen) mitzuspielen. Matt weigerte sich zunächst, doch der Lehrer ließ nicht locker und meldete ihn schließlich heimlich für das National Youth Theatre an. Als Matt dort auf der Bühne stand, fand er eine neue Bestimmung.

Das riskanteste Casting aller Zeiten

Als David Tennant seinen Abschied ankündigte, suchte der neue Showrunner Steven Moffat nach einem Nachfolger. Er wollte eigentlich einen älteren Doktor, jemanden in seinen 40ern.

Matt Smith war 26. Er war der allererste Schauspieler, der für die Rolle vorsprach. Moffat dachte: „Er ist brillant, aber er ist zu jung. Wir müssen uns noch andere ansehen.“ Sie casteten monatelang weiter, sahen hunderte Schauspieler. Aber keiner hatte diese seltsame Magie. Matt Smith war, wie Moffat sagte, „ein alter Mann im Körper eines jungen Mannes“.

Die Bekanntgabe seiner Besetzung sorgte für einen Aufschrei. „Wer ist das?“, „Viel zu jung!“, „Er sieht aus wie ein Emo-Haar-Model!“. Die Presse nannte ihn „Doctor Who?“. Der Druck auf Matt Smith war unmenschlich. Er musste nicht nur eine Fernsehserie tragen, sondern eine nationale Institution retten, die ihren beliebtesten Hauptdarsteller verloren hatte.

Der Triumph der Tollpatschigkeit

Am Set war Matt Smith bekannt für zwei Dinge: Seine Freundlichkeit und seine absolute Tollpatschigkeit. Er machte ständig Requisiten kaputt. Er riss Türgriffe ab, ließ den Schallschraubenzieher fallen und stolperte über seine eigenen Füße. Die Produzenten bauten diese Ungeschicklichkeit in den Charakter ein.

Matt Smith gewann die Kritiker und Fans fast sofort. Er kopierte Tennant nicht, sondern erschuf etwas völlig Eigenes. Er war körperlicher, wilder, märchenhafter. Er bewies, dass die Serie größer ist als jeder einzelne Schauspieler. Er trug die Serie durch ihr 50. Jubiläum, den absoluten Höhepunkt der weltweiten Popularität.

Ein Leben nach der TARDIS: Der Prinz und der Drache

Viele Schauspieler fürchten nach Doctor Who das „Typecasting“. Matt Smith ging direkt in die Offensive. Er wollte beweisen, dass er mehr kann als den lustigen Alien.

Seine Rolle als Prinz Philip in den ersten zwei Staffeln der Netflix-Serie The Crown war eine Offenbarung. Er spielte Philip nicht als Karikatur, sondern als frustrierten, alpha-männlichen Außenseiter im goldenen Käfig. Er brachte eine Kühle und Härte in die Rolle, die man dem „netten Doktor“ nicht zugetraut hätte. Er erhielt dafür eine Emmy-Nominierung.

Den endgültigen Beweis seiner Star-Qualität lieferte er jedoch 2022 mit dem Game of Thrones-Prequel House of the Dragon. Als Daemon Targaryen spielt er einen Charakter, der moralisch bankrott, gewalttätig, inzestuös und gefährlich ist – und doch schafft er es, dass das Publikum ihn liebt. Er stiehlt jede Szene, oft ohne ein Wort zu sagen, nur mit einer Haltung oder einem Blick.

Matt Smith privat

Privat gilt Matt Smith als extrem charmant, aber sehr zurückhaltend. Er hat keine sozialen Medien. Er lebt lieber im Moment. Er ist bekannt dafür, dass er sich selbst nicht zu ernst nimmt. Er weiß, dass er ein ungewöhnliches Gesicht hat (er nennt es selbst „ein Gesicht wie ein Fuß“), und spielt gerne damit.

Er spricht immer noch voller Liebe über Doctor Who. Er sagt oft, dass es die beste Rolle ist, die man haben kann. Er hat den Kontakt zu seinen Co-Stars Karen Gillan (Amy) und Arthur Darvill (Rory) gehalten; sie treffen sich immer noch regelmäßig, wenn sie in derselben Stadt sind.

Matt Smith ist der Beweis dafür, dass man scheitern kann (beim Fußball), nur um dann etwas noch Größeres zu finden. Er war der Doktor, der uns lehrte, dass wir alle Geschichten sind, am Ende – also sollten wir sie zu guten Geschichten machen.


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