Der 5. Doktor

Der 5. Doktor

Peter Davison

Nach sieben Jahren der Dominanz durch den exzentrischen Riesen Tom Baker stand Doctor Who 1981 vor seiner größten Herausforderung. Wie folgt man einer Legende? Die Antwort der Produzenten war mutig: Man versucht gar nicht erst, ihn zu kopieren. Statt eines donnernden, unberechenbaren Außerirdischen bekamen die Zuschauer einen jungen, offenen und verletzlichen Mann. Der fünfte Doktor trat aus dem Schatten seines Vorgängers, nicht mit einem Brüllen, sondern mit einem höflichen Lächeln, einem Cricketschläger und einer Selleriestange am Revers.


Teil I: Der Doktor mit dem offenen Herzen

Jugend und Verletzlichkeit

Die Regeneration am Ende von Logopolis war traumatisch. Der neue Doktor war desorientiert, sein Geist fragil, und er brauchte den „Zero Room“ in der TARDIS, um seine neue Persönlichkeit zu stabilisieren. Als er schließlich wieder zu sich kam, stand dort ein Mann, der wirkte, als käme er direkt von einem englischen Cricket-Feld der 1920er Jahre. Er trug einen cremefarbenen Mantel, gestreifte Hosen, weiße Turnschuhe (Plimsolls) und, aus Gründen, die er später als Allergiedetektor erklärte, einen frischen Sellerie am Revers.

Dieser Doktor war anders. Er war der „menschlichste“ aller bisherigen Doktoren. Wo der Vierte oft unnahbar und herrisch war, war der Fünfte zugänglich, höflich und demokratisch. Er war kein allmächtiger Zauberer; er war ein Reisender, der oft sichtlich unter dem Stress seiner Abenteuer litt. Man sah ihm an, wenn er Angst hatte, und man spürte seine Verzweiflung, wenn Dinge schiefliefen. Er rannte oft atemlos durch Korridore, angetrieben von einer jugendlichen Energie, aber auch von der ständigen Sorge um seine Freunde.

Eine überfüllte TARDIS

Vielleicht weil er so offen war, reiste der fünfte Doktor selten allein. Seine TARDIS war vollgestopft. Zu Beginn begleitete ihn ein Trio: Adric, ein mathematisches Genie vom Planeten Alzarius; Nyssa, eine sanfte Aristokratin vom Planeten Traken, deren Vater vom Master getötet worden war; und Tegan Jovanka, eine laute, meinungsstarke australische Stewardess, die eigentlich nur zum Flughafen Heathrow wollte und versehentlich in der TARDIS landete.

Diese Gruppendynamik war oft schwierig. Es gab Streit, Eifersucht und Missverständnisse. Der Doktor fungierte oft weniger als Anführer, sondern eher als Schlichter oder überforderter großer Bruder. Später kam Vislor Turlough hinzu, ein außerirdischer Schüler, der heimlich vom Schwarzen Wächter beauftragt war, den Doktor zu töten – ein Verrat, den der Doktor mit Geduld und Vergebung in Loyalität verwandelte. Auch der Formwandler-Roboter Kamelion war kurzzeitig an Bord, wenngleich er meistens in den Tiefen der TARDIS verschwand.

Der Tag, an dem die Stille eintrat

Die Ära des fünften Doktors ist untrennbar mit einem der schockierendsten Momente der Seriengeschichte verbunden. In der Geschichte Earthshock (1982) kehrten die Cybermen zurück. Sie planten, eine Bombe in einem Raumfrachter auf die Erde stürzen zu lassen. Der Doktor konnte die Cybermen aufhalten, aber den Frachter nicht mehr umleiten.

Adric, der versuchte, den Navigationscomputer zu hacken, blieb an Bord. Er starb, als das Schiff in die prähistorische Erde einschlug und das Aussterben der Dinosaurier verursachte.

Der Doktor war machtlos. Er konnte seinen Freund nicht retten. Am Ende der Episode gab es keine Titelmusik, nur Stille über den ablaufenden Credits. Dieser Moment definierte den fünften Doktor: Er war ein Held, der nicht immer gewinnen konnte. Der Tod von Adric lastete schwer auf ihm und verstärkte seine melancholische Seite.

Alte Feinde und neue Schrecken

Neben den Cybermen hatte es der fünfte Doktor oft mit dem Master zu tun, nun in der Gestalt von Anthony Ainley. Dieser Master war theatralischer, besessener davon, den Doktor leiden zu sehen, und tauchte immer wieder auf, um Chaos zu stiften.

Der Doktor traf auch auf alte Bekannte wie die Silurianer und Seeteufel (in Warriors of the Deep), eine Geschichte, die tragisch endete, da der Doktor einen Frieden vermitteln wollte, aber am Ende alle Kriegsparteien starben. „Es hätte einen anderen Weg geben müssen“, murmelte er am Ende, ein Satz, der seine pazifistische Philosophie zusammenfasst.

Das ultimative Opfer

Das Ende des fünften Doktors gilt als eine der besten Doctor Who-Geschichten überhaupt: Die Höhlen von Androzani (1984). Der Doktor und seine neue Begleiterin, die amerikanische Botanikstudentin Peri Brown, landeten auf einem trostlosen Wüstenplaneten und infizierten sich versehentlich mit „Spectrox“, einer tödlichen Substanz.

Die gesamte Geschichte war ein Wettlauf gegen die Zeit. Der Doktor selbst lag im Sterben, aber er kämpfte sich durch Kriege, Verrat und Lava, nur um das Gegenmittel zu finden. Es gab nur genug für eine Person. Ohne zu zögern gab er es Peri.

Er trug sie zurück in die TARDIS, brach auf dem Boden zusammen und halluzinierte seine ehemaligen Begleiter, die ihn ermutigten zu leben, während der Master ihn in seinen Gedanken verspottete. Mit den Worten „Fühlt sich das so an, der Tod?“ schloss er die Augen. Das sanfte Gesicht des fünften Doktors wich der arroganten, bunten Explosion des sechsten. Er hatte das Universum diesmal nicht gerettet, nur eine einzige Freundin – und das war für ihn genug.


Teil II: Peter Davison – Der widerwillige Star

Ein Star vor der TARDIS

Peter Davison wurde am 13. April 1951 als Peter Moffett in London geboren (er nahm den Künstlernamen Davison an, um Verwechslungen mit dem Regisseur Peter Moffatt zu vermeiden). Er wuchs in einer musikalischen Familie auf und besuchte die Schauspielschule.

Im Gegensatz zu vielen anderen Doktoren war Davison bereits ein riesiger Fernsehstar, bevor er den Schlüssel zur TARDIS bekam. Er spielte Tristan Farnon in der immens populären Serie Der Doktor und das liebe Vieh (All Creatures Great and Small). Als der charmante, etwas unzuverlässige kleine Bruder des Tierarztes hatte er sich in die Herzen der Briten gespielt.

Die unmögliche Wahl

Als Tom Baker seinen Abschied ankündigte, wollte Produzent John Nathan-Turner (JNT) einen radikalen Schnitt. Er wollte jemanden, der das komplette Gegenteil von Baker war. Davison war erst 29 Jahre alt, als er gecastet wurde – damals der mit Abstand jüngste Doktor (ein Rekord, den erst Matt Smith fast 30 Jahre später brach).

Die Fans waren skeptisch. Ein „Seifenoper-Schauspieler“? Zu jung? Zu glatt? Auch Davison selbst zögerte. Er wusste, dass die Fußstapfen von Tom Baker riesig waren. Er hatte Angst, derjenige zu sein, der Doctor Who ruinieren würde. Doch die Herausforderung reizte ihn.

Ein neuer Stil am Set

Davison brachte einen völlig neuen Arbeitsstil ans Set. Tom Baker war dominant und laut gewesen; Davison war ein Teamplayer. Er war bescheiden, freundlich und extrem kollegial. Er verstand sich blendend mit seinen jungen Co-Stars (Matthew Waterhouse, Sarah Sutton, Janet Fielding).

Doch es war nicht immer einfach. Der Produzent JNT hatte strenge Regeln: Keine „Sonic Screwdriver“ (Schallschraubenzieher) mehr, da diese als zu bequeme Lösung für Drehbücher angesehen wurden, und – sehr zum Ärger von Davison – er durfte seine Hände nicht in die Hosentaschen stecken. Davison fand das frustrierend, da er eine entspannte Körperhaltung bevorzugte.

Auch die Qualität der Drehbücher schwankte. Da die TARDIS so voll war, hatte der Doktor oft wenig zu tun, während die Begleiter die Handlung trugen. Davison musste lernen, durch reine Präsenz und Dringlichkeit zu wirken („Acting at speed“), um die Autorität des Doktors zu wahren.

Die „Troughton-Regel“ und der Abschied

Patrick Troughton, der zweite Doktor, hatte Davison einen Rat gegeben: „Mach es drei Jahre, dann geh. Sonst bleibst du ewig der Doktor.“ Davison nahm sich diesen Rat zu Herzen.

Obwohl er die Rolle liebte, spürte er nach drei Staffeln, dass die Qualität der Geschichten nachließ (mit Ausnahme seiner finalen Episode). Er hatte Angst vor dem Typecasting. Er wollte beweisen, dass er mehr spielen konnte als nur nette, junge Helden. Also verließ er die Serie 1984 auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit. Später gab er zu, dass er vielleicht noch ein Jahr länger geblieben wäre, wenn die Drehbücher so gut gewesen wären wie in seiner letzten Staffel.

Das Leben nach dem Doktor: Eine beispiellose Karriere

Davisons Angst, keine Arbeit mehr zu finden, war unbegründet. Er wurde zu einem der meistbeschäftigten Schauspieler im britischen Fernsehen. Er spielte den Detektiv Campion, hatte Hauptrollen in At Home with the Braithwaites, The Last Detective und Law & Order: UK. Er bewies eine enorme Bandbreite, von Comedy bis hin zu ernsten Dramen.

Die ultimative „Doctor Who“-Familie

Ein kurioses Detail macht Peter Davison einzigartig in der Geschichte der Serie: Er ist der Patriarch einer echten Doctor Who-Dynastie.

Seine Tochter, Georgia Tennant (geborene Moffett), ist ebenfalls Schauspielerin. Im Jahr 2008 spielte sie in der Episode The Doctor’s Daughter die genetisch erzeugte Tochter des zehnten Doktors. Am Set verliebte sie sich in den Hauptdarsteller, David Tennant.

Somit ist Peter Davison der fünfte Doktor, der Vater der Frau, die die Tochter des Doktors spielte, und der Schwiegervater des zehnten Doktors. Seine Enkelkinder wachsen also mit zwei Großvätern auf, die beide der Doktor waren (im übertragenen Sinne).

Ein bleibendes Erbe

Heute ist Peter Davison ein gefeierter Botschafter der Serie. Er kehrte für das Minispecial Time Crash (2007) zurück, wo er auf David Tennant traf, und ist sehr aktiv in den Hörspielen von „Big Finish“, wo er dem fünften Doktor die Tiefe und Reife verleihen kann, die ihm die TV-Drehbücher manchmal verwehrten.

Peter Davison bewies, dass der Doktor nicht alt oder exzentrisch im klassischen Sinne sein muss, um Autorität zu haben. Er zeigte uns einen Helden, der rannte, der zweifelte, der Fehler machte – und den wir gerade deswegen liebten. Er war der Doktor, der uns lehrte, dass Mut nicht die Abwesenheit von Angst ist, sondern das Weitermachen, auch wenn das Herz bricht.


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