
Der 3. Doktor
Jon Pertwee
Als der zweite Doktor ins Nichts wirbelte, endete nicht nur eine Ära der Charaktere, sondern auch eine Ära der Technik. Das Jahr 1970 markierte für Doctor Who den Übergang von den schattigen Grautönen des Schwarz-Weiß-Fernsehens in die grelle, bunte Welt der Farbe. Und für diesen Übergang brauchte es jemanden, der diese neue Brillanz ausfüllen konnte. Aus der TARDIS fiel kein clownesker Wanderer mehr, sondern ein Mann, der Eleganz, Autorität und Action wie kein anderer verband. Der dritte Doktor war angekommen – und er war nicht glücklich darüber.
Teil I: Der verbannt Weltraum-Aristokrat
Absturz in die Farbe
Der dritte Doktor begann seine Existenz nicht mit einem triumphalen Sieg, sondern mit einem harten Aufprall. Verbannt von den Time Lords, wurde er auf der Erde des 20. Jahrhunderts abgesetzt. Seine TARDIS war deaktiviert, das Wissen um ihre Bedienung aus seinem Gedächtnis gelöscht. Er war gestrandet.
Als er aus der TARDIS stolperte, trug er noch die Kleidung seines Vorgängers, doch bald fand er seinen eigenen Stil. Und was für ein Stil das war! Der dritte Doktor war ein Dandy, ein Mann von Welt(raum). Er trug Samtjacketts in tiefem Rot, Blau oder Grün, Rüschenhemden, wehende Umhänge und polierte Stiefel. Mit seiner vollen Mähne aus weißem Haar und seiner Hakennase wirkte er wie ein aristokratischer Wissenschaftler oder ein exzentrischer Zauberer.
Dieser Doktor war kein Mann, der sich versteckte. Er war selbstbewusst, manchmal arrogant und duldete keine Dummheit. Er übernahm sofort das Kommando. Doch im Gegensatz zu seinen Vorgängern war er auch ein Mann der physischen Tat. Er beherrschte „Venusianisches Aikido“, eine Kampfkunst, mit der er Gegner, die doppelt so groß waren wie er, mit einem einzigen Handkantenschlag und einem lauten „Hai!“ zu Boden schickte.
UNIT und die militärische Familie
Da er nicht reisen konnte, brauchte der Doktor einen Job und ein Dach über dem Kopf. Er wurde der wissenschaftliche Berater von UNIT (United Nations Intelligence Taskforce), einer militärischen Organisation zur Abwehr außerirdischer Bedrohungen. Dies führte zu einer der dynamischsten Beziehungen der Seriengeschichte: Der Doktor und der Brigadier (Alastair Gordon Lethbridge-Stewart).
Es war ein ständiges Reiben zweier Weltoffen. Der Brigadier wollte Probleme oft mit Schusswaffen und Sprengstoff lösen („Fünf Schuss Schnellfeuer!“), während der Doktor pazifistische, wissenschaftliche Lösungen bevorzugte. „Militärische Intelligenz ist ein Widerspruch in sich“, spottete der Doktor oft. Doch unter diesen Sticheleien wuchs eine tiefe, unerschütterliche Freundschaft und gegenseitiger Respekt. Zusammen mit Sergeant Benton und Captain Yates bildeten sie eine Art dysfunktionale, aber effektive Familie, die die Erde verteidigte.
Ein Zeitalter der Monster und Maschinen
Da der Doktor an die Erde gefesselt war, kamen die Monster zu ihm. Seine Ära war geprägt von Invasionsszenarien. Er kämpfte gleich zu Beginn gegen die Autons – lebende Schaufensterpuppen aus Plastik, die in den Straßen von London Passanten niedermähten. Er traf auf die Silurianer und die Seeteufel, uralte Reptilienrassen, die die Erde vor den Menschen bewohnt hatten. Diese Geschichten waren oft moralisch komplex; der Doktor versuchte Frieden zu stiften, während die Menschen (oft der Brigadier) und die Reptilien nur Krieg wollten.
Und natürlich gab es „Bessie“. Da die TARDIS defekt war, baute der Doktor einen kanariengelben Oldtimer (einen Edwardianischen Roadster) um. Bessie war vollgestopft mit Technik, konnte ferngesteuert werden und verfügte über ein Kraftfeld. Später kam noch das „Whomobile“ hinzu, ein futuristisches Hovercraft. Der dritte Doktor war ein Technik-Freak, der immer in seinem Labor bastelte, wenn er nicht gerade die Welt rettete.
Der ultimative Gegenspieler
Kein Held ist komplett ohne seinen Schatten. In dieser Ära wurde der Master eingeführt – ein abtrünniger Time Lord, der das genaue Gegenteil des Doktors war. Gespielt vom hypnotischen Roger Delgado, war der Master charmant, böse und brillant. Er wollte das Universum nicht zerstören, sondern beherrschen. Die Duelle zwischen dem Doktor und dem Master waren wie Schachpartien zwischen Sherlock Holmes und Moriarty. Sie respektierten sich intellektuell, obwohl sie auf verschiedenen Seiten standen. Der Doktor freute sich oft fast schon, wenn der Master auftauchte, da er endlich jemanden auf seinem geistigen Niveau hatte.
Die Frauen an seiner Seite
Seine erste Begleiterin war Liz Shaw, eine brillante Wissenschaftlerin, die ihm ebenbürtig war, aber leider nur kurz blieb.
Dann kam Jo Grant. Jo war jünger, unerfahrener und fiel oft den Schurken in die Hände, aber sie hatte ein riesiges Herz und unerschütterlichen Mut. Die Beziehung zwischen dem dritten Doktor und Jo war besonders zärtlich; er war beschützerisch, fast wie ein Vater oder Lieblingsonkel. Als Jo sich verliebte und ihn verließ, brach es dem Doktor sichtbar das Herz. Er fuhr einsam in Bessie in den Sonnenuntergang, ein seltener Moment der Stille für diesen sonst so lauten Mann.
Zuletzt reiste er mit Sarah Jane Smith, einer emanzipierten Journalistin, die ihm Paroli bot und eine der beliebtesten Begleiterinnen aller Zeiten wurde.
Der letzte Vorhang
Schließlich hoben die Time Lords sein Exil auf, weil sie seine Hilfe brauchten. Der Doktor konnte wieder reisen. Doch sein Ende fand er auf dem Planeten der Spinnen, Metebelis III. In der Geschichte Planet of the Spiders musste er sich seiner eigenen Gier nach Wissen und seiner Angst stellen. Er setzte sich tödlicher Strahlung aus, um die „Große Eine“, eine riesige Spinne, zu stoppen.
Sterbend kehrte er zu UNIT zurück und brach vor Sarah Jane und dem Brigadier zusammen. Mit den Worten „Eine Träne, Sarah Jane? Nein, weine nicht. Wo Leben ist, da ist…“ verblasste seine Stimme. Er regenerierte, und der Dandy verwandelte sich in einen Mann mit lockigen Haaren, großen Augen und einem unendlich langen Schal.
Teil II: Jon Pertwee – Der Mann der Tat
Geboren für die Bühne
John Devon Roland Pertwee wurde am 7. Juli 1919 in Chelsea, London, geboren. Er stammte aus einer echten Showbusiness-Dynastie. Sein Vater war ein bekannter Drehbuchautor und Schauspieler. Doch der junge Jon war ein Rebell. Er flog von mehreren Schulen, darunter auch von der renommierten Schauspielschule RADA (Royal Academy of Dramatic Art), weil er sich weigerte, eine Rolle als griechischer Wind „künstlerisch wertvoll“ darzustellen.
Ein Leben voller Abenteuer
Bevor er Schauspieler wurde, lebte Pertwee ein Leben, das eines James Bond würdig gewesen wäre. Im Zweiten Weltkrieg diente er bei der Navy. Er überlebte den Untergang der HMS Hood (er war kurz zuvor versetzt worden), ein Trauma, das ihn begleitete. Er trug eine Tätowierung auf dem Arm, die er in der Serie oft mühsam mit Make-up oder langen Ärmeln verdecken musste.
Nach dem Krieg arbeitete er beim Zirkus und fuhr Motorrad in der „Todeswand“ (Wall of Death). Diese Liebe zu Geschwindigkeit und Gefahr nahm er mit in die Rolle des Doktors. Er war es, der darauf bestand, dass der Doktor Fahrzeuge fuhr und Action-Szenen hatte. Viele seiner Stunts machte er selbst, sehr zum Leidwesen der Versicherung der BBC.
Der Mann mit den lustigen Stimmen
Vor Doctor Who war Pertwee in Großbritannien vor allem als Comedy-Talent bekannt. Er war der Star der extrem erfolgreichen Radiosendung The Navy Lark, wo er über 18 Jahre lang verschiedene Charaktere mit skurrilen Stimmen sprach. Er spielte auch im Film Carry On Cleo und anderen Komödien mit.
Als ihm die Rolle des Doktors angeboten wurde, war er überrascht. Er fragte die Produzenten: „Aber was für eine Stimme soll ich machen? Was für einen lustigen Akzent?“ Sie antworteten: „Keinen, Jon. Wir wollen dich. Wir wollen Jon Pertwee.“ Das war für ihn der größte Reiz: Endlich durfte er er selbst sein, oder zumindest eine heroische Version seiner selbst.
Die goldene Ära und der Abschied
Pertwee liebte die Rolle abgöttisch. Er genoss die Aufmerksamkeit, die Promotion-Termine und besonders die „Spielzeuge“ wie Bessie und das Whomobile (das er privat in Auftrag gegeben hatte und der BBC lieh). Er war der unbestrittene Anführer am Set, manchmal etwas herrisch, aber immer beschützerisch gegenüber seinen Co-Stars, die er seine „Familie“ nannte.
Doch 1973 begann diese Familie zu zerbrechen. Der tragische Tod seines engen Freundes Roger Delgado (der Master), der bei einem Autounfall in der Türkei starb, traf Pertwee schwer. Er sagte später, dass mit Delgados Tod die Freude an der Serie für ihn verschwunden sei. Als dann auch noch Katy Manning (Jo Grant) die Serie verließ und der Produzent Barry Letts seinen Abschied ankündigte, fühlte sich Pertwee allein zurückgelassen. Er wollte nicht, dass die Qualität leidet oder er nur noch mit Fremden arbeitet. Zudem plagten ihn Rückenprobleme, die durch die vielen Action-Szenen und das Tragen eines Korsetts unter dem Kostüm verschlimmert wurden. Er entschied sich zu gehen, als er auf dem Höhepunkt war.
Das Leben danach: Eine Vogelscheuche
Pertwee hatte Angst vor dem „Typecasting“, doch er schaffte etwas, das nur wenigen Doktoren gelang: Er fand eine zweite Rolle, die fast genauso ikonisch wurde. In der Kinderserie Worzel Gummidge spielte er eine lebende Vogelscheuche. Es war das komplette Gegenteil des Doktors: dreckig, dumm, sprachlich unbeholfen und chaotisch. Damit bewies er endgültig seine enorme Wandlungsfähigkeit als Schauspieler.
Trotzdem blieb er dem Doktor immer verbunden. Er kehrte für die Jubiläen The Three Doctors und Die Fünf Doktoren zurück, spielte die Rolle in den 90ern in zwei Radio-Hörspielen und war ein unermüdlicher Gast auf Conventions. Er liebte seine Fans und wurde nie müde, über seine Zeit in der TARDIS (oder in Bessie) zu sprechen.
Ein plötzliches Ende
Jon Pertwee war ein Lebemann, der das Rampenlicht genoss bis zum Schluss. Im Mai 1996 war er in den USA, in Connecticut, um eine Science-Fiction-Convention zu besuchen. Wie Troughton und Hartnell vor ihm ereilte ihn das Schicksal plötzlich. Am 20. Mai 1996 erlitt er im Schlaf einen schweren Herzinfarkt und starb. Er wurde 76 Jahre alt.
Sein Tod schockierte die Fangemeinde. Nur wenige Tage vor seinem Tod war der Fernsehfilm mit dem achten Doktor (Paul McGann) ausgestrahlt worden, was das Timing besonders tragisch machte. Jon Pertwee hinterließ ein Vermächtnis von Stil, Action und Wärme. Er war der Doktor, der uns lehrte, dass man auch im Angesicht von Monstern immer gut gekleidet sein sollte und dass Mut bedeutet, sich seinen Ängsten zu stellen – notfalls mit einem lauten „Hai!“.


