Der 10. Doktor

Der 10. Doktor

David Tennant

Wenn Christopher Eccleston das Fundament legte, dann baute David Tennant darauf einen Wolkenkratzer, der bis in die Stratosphäre reichte. Mit ihm explodierte Doctor Who zu einem globalen Phänomen. Aus dem traumatisierten Überlebenden wurde ein charismatischer, romantischer Held, eine Art Rockstar des Universums. Er machte „Geek“ plötzlich sexy. Doch hinter dem strahlenden Lächeln, den Converse-Schuhen und dem wehenden Mantel verbarg sich eine der tragischsten Figuren, die die TARDIS je geflogen hat.


Teil I: Der einsame Gott im Nadelstreifenanzug

Allons-y! – Der Rausch der Geschwindigkeit

Als der Doktor regenerierte, verschwand die Lederjacke und mit ihr ein Teil der offensichtlichen Schwere. Der zehnte Doktor war schlank, drahtig und voller nervöser Energie. Er trug schmale Nadelstreifenanzüge (mal braun, mal blau), dazu Turnschuhe (Converse) und einen langen braunen Mantel, der hinter ihm herwehte, wenn er rannte. Und er rannte viel.

Er war charmant, redselig und brillant. Er liebte die Menschheit mit einer fast kindlichen Begeisterung und warf mit popkulturellen Referenzen um sich (von Harry Potter bis Der König der Löwen). Sein Schlachtruf war „Allons-y!“ (Französisch für „Los geht’s!“). Er wirkte wie der perfekte Freund, der einen auf das größte Abenteuer des Lebens mitnimmt.

Doch dies war oft nur eine Maske. Dieser Doktor nutzte seinen Charme und seine ständige Bewegung, um nicht stehen bleiben zu müssen. Denn wenn er stillstand, holte ihn die Erinnerung an den Zeitkrieg und seine Einsamkeit ein. Er war eitel und manchmal arrogant. Er wusste, dass er der Klügste im Raum war, und er ließ es andere spüren. Seine Feinde warnte er oft nur einmal. Wer diese Warnung ignorierte, bekam keine zweite Chance.

Die große Liebe: Rose Tyler

Seine Beziehung zu Rose Tyler war das emotionale Zentrum seiner frühen Jahre. Mit dem zehnten Doktor wurde aus der tiefen Freundschaft eine echte, wenn auch unausgesprochene Liebesgeschichte. Sie waren unzertrennlich, ein perfektes Team.

Das Ende dieser Ära in der Episode Doomsday brach Millionen Zuschauern das Herz. Nach einem Krieg zwischen Daleks und Cybermen wurde Rose in ein Paralleluniversum gesaugt. Der Doktor brannte einen Stern auf, nur um ein letztes Mal als Hologramm am Strand der „Bad Wolf Bay“ zu erscheinen, um sich zu verabschieden. Als Rose ihm sagte „Ich liebe dich“, wollte er antworten. Doch bevor er den Satz beenden konnte, brach die Verbindung ab. Er stand allein in der TARDIS, Tränen in den Augen, unfähig, seine Liebe auszusprechen.

Die Ärztin und die beste Freundin

Nach Rose kam Martha Jones, eine angehende Ärztin. Sie war brillant, mutig und kompetent, litt aber darunter, dass sie in Roses Schatten stand und unglücklich in den Doktor verliebt war, während er nur Augen für seine verlorene Liebe hatte. Martha erkannte schließlich ihren eigenen Wert und verließ ihn aus freien Stücken, um die Welt zu retten – nicht als Begleiterin, sondern als Soldatin und Ärztin.

Dann traf er Donna Noble. Donna war genau das, was er brauchte: keine Romantik, keine Bewunderung, sondern eine beste Freundin („Mate“). Sie war laut, frech und holte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie stoppte ihn, wenn er zu grausam wurde (wie in Die aufgelöste Braut).

Doch Donnas Schicksal war das grausamste von allen. Durch einen Unfall absorbierte sie das Wissen eines Time Lords und wurde zur „Doctor Donna“. Ihr menschliches Gehirn konnte das nicht verkraften. Um ihr Leben zu retten, musste der Doktor all ihre Erinnerungen an ihn und ihre Reisen löschen. Er musste sie zu einem normalen, langweiligen Leben verdammen und durfte sie nie wieder sehen. Als sie ihn am Ende mit leerem Blick ansah und nicht erkannte, brach etwas in ihm endgültig.

Der Time Lord Victorious

In seinen letzten Tagen, als er allein reiste, wurde der Doktor gefährlich. Ohne jemanden, der ihn bremste, begann er zu glauben, er stünde über den Gesetzen der Zeit. In Der rote Garten rettete er die Kapitänin Adelaide Brooke, obwohl ihr Tod ein fixierter Punkt in der Zeit war. „Die Gesetze der Zeit gehören mir, und sie werden mir gehorchen!“, rief er aus. Er nannte sich den „Time Lord Victorious“ (Der siegreiche Time Lord).

Erst als Adelaide sich selbst tötete, um die Zeitlinie zu korrigieren und ihm zu zeigen, dass er kein Gott ist, erkannte er voller Horror, wie tief er gefallen war.

Das Ende der Zeit

Sein Erzfeind, der Master (genial und wahnsinnig gespielt von John Simm), kehrte zurück, ebenso wie die Time Lords selbst, die aus dem Zeitkrieg ausbrechen wollten. Zusammen mit Wilfred Mott, Donnas liebenswertem Großvater, stellte sich der Doktor dem Ende.

Er besiegte den Master und die Time Lords. Er hatte überlebt. Er dachte, er wäre sicher. Da hörte er es: Vier sanfte Klopfer.

Wilfred war in einer strahlungsdichten Kammer gefangen, die kurz davor war, mit tödlicher Strahlung geflutet zu werden. Um Wilfred zu retten, musste der Doktor seinen Platz einnehmen.

Er tat es ohne Zögern, aber nicht ohne Wut. „Ich könnte so viel mehr tun!“, schrie er, bevor er die Kammer betrat. Er absorbierte die Strahlung.

Sein Abschied war eine lange Tour, bei der er all seine Freunde noch einmal aus der Ferne sah. Allein in der TARDIS, den Tod vor Augen, sprach er seine letzten Worte, die so ehrlich und menschlich waren wie nie zuvor: „Ich will noch nicht gehen.“ (I don’t want to go).

Dann zerstörte die explosive Regeneration die TARDIS von innen und der elfte Doktor stürzte brennend auf die Erde zu.


Teil II: David Tennant – Der Fan, der den Thron bestieg

Geboren für die Rolle

David John McDonald wurde am 18. April 1971 in Bathgate, Schottland, geboren. Sein Vater war presbyterianischer Pfarrer (später Moderator der Generalversammlung der Church of Scotland).

Es gibt wohl keinen Schauspieler, dessen Schicksal so eng mit Doctor Who verknüpft ist wie das von David Tennant. Schon als kleiner Junge war er besessen von der Serie. Er hatte Tom-Baker-Puppen, er schrieb in der Schule Aufsätze darüber, dass er eines Tages der Doktor sein würde. Seine Großmutter strickte ihm den Schal des vierten Doktors. Er entschied sich, Schauspieler zu werden, nur um eines Tages den Doktor spielen zu können.

Da es bereits einen Schauspieler namens David McDonald gab, musste er seinen Namen ändern. Er blätterte durch eine Musikzeitschrift, sah ein Bild von Neil Tennant (von den Pet Shop Boys) und entschied: „Das klingt gut.“

Der Weg zum Ruhm

David Tennant arbeitete sich klassisch durch das Theater hoch. Er wurde Mitglied der Royal Shakespeare Company (RSC) und galt als einer der besten jungen Theaterschauspieler seiner Generation.

Der Durchbruch im TV gelang ihm 2005 mit dem Drama Casanova, geschrieben von niemand geringerem als Russell T Davies (dem Showrunner von Doctor Who). Davies war so beeindruckt von Tennants Energie und Charme, dass er wusste: Wenn Christopher Eccleston geht, ist Tennant der Nachfolger.

Tennant erfuhr von dem Angebot, während er sich gerade erste Ausschnitte von Ecclestons erster Staffel ansah. Er wusste sofort, dass die Serie ein Hit werden würde, und sagte zu.

Die Tennant-Mania

Was dann geschah, hatte niemand erwartet. David Tennant wurde in Großbritannien populärer als jeder Doktor vor ihm. Er war überall. Die Zeitungen liebten ihn, die Fans vergötterten ihn. Er wurde regelmäßig zum „Sexiest Man“ gewählt, was ihn (als lebenslangen Nerd) immer amüsierte und verwirrte.

Er widmete sich der Rolle mit jeder Faser seines Herzens. Er verstand die Verantwortung, die er gegenüber den Fans hatte, weil er selbst einer war. Er war bekannt dafür, extrem freundlich zu sein, lange Schlangen bei Autogrammstunden abzuarbeiten und die Geschichte der Serie in Ehren zu halten.

Liebe am Set

Doctor Who veränderte nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Privatleben. Im Jahr 2008 spielte Georgia Moffett in der Episode The Doctor’s Daughter seine genetisch erzeugte Tochter Jenny.

Die Ironie des Schicksals ist kaum zu überbieten: Georgia ist im echten Leben die Tochter von Peter Davison (dem fünften Doktor). David Tennant verliebte sich also in die Tochter seines eigenen Lieblingsdoktors am Set der Serie, die sie beide liebten.

Sie heirateten 2011 und haben heute fünf Kinder. Tennant adoptierte auch Georgias Sohn Ty. Es ist die ultimative Doctor Who-Familie: Der zehnte Doktor ist mit der Tochter des fünften Doktors verheiratet, die die Tochter des zehnten Doktors spielte.

Der schwere Abschied

Wie viele vor ihm entschied sich Tennant nach drei Staffeln und einer Reihe von Specials zu gehen. Er wollte gehen, solange die Leute noch mehr wollten, nicht wenn sie seiner überdrüssig waren. Es war die schwerste Entscheidung seiner Karriere. Bei seiner letzten Leseprobe, als er die Worte „Ich will noch nicht gehen“ las, weinte er, und das gesamte Team weinte mit ihm.

Ein Gigant des Schauspiels

Nach Doctor Who bewies Tennant, dass er kein „One-Hit-Wonder“ war. Er spielte Hamlet in einer gefeierten Inszenierung der RSC. Er brillierte als harter Detective Alec Hardy in der Krimiserie Broadchurch (die ein riesiger Erfolg war). Er spielte den furchterregenden Bösewicht Kilgrave in Marvels Jessica Jones und den Dämon Crowley in Good Omens.

Während des Lockdowns unterhielt er die Welt zusammen mit Michael Sheen in der genialen Meta-Comedy Staged.

Die Rückkehr des Königs

Doch er konnte die TARDIS nie ganz hinter sich lassen. Zum 50. Jubiläum 2013 kehrte er zurück und spielte an der Seite von Matt Smith und John Hurt.

Und dann geschah das Unmögliche: Zum 60. Jubiläum im Jahr 2023 kehrte er erneut zurück – nicht als zehnter Doktor, sondern offiziell als vierzehnter Doktor. Sein Gesicht kam zurück, um Donna Noble ein Happy End zu geben, das ihr damals verwehrt geblieben war. Es war ein Geschenk an die Fans und an ihn selbst.

David Tennant ist für viele der Doktor. Er verkörperte die Freude, den Schmerz, die Romantik und das Abenteuer wie kein anderer. Er war der Fan, der den Schlüssel zur TARDIS bekam und uns alle auf den besten Trip unseres Lebens mitnahm.


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