Review | 11×09 | Verkehrte Welt (It takes you away)

Doctor Who

“Verkehrte Welt”
(“It takes you away”)


Erstausstrahlung DE: 28. März 2019
Erstausstrahlung UK: 02. Dezember 2018

Drehbuch: Ed Hime
Regie: Jamie Childs
Produktion: Chris Chibnall, Matt Strevens, Sam Hoyle, Nikki Wilson

Der Doktor: Jodie Whittaker
Graham O’Brien: Bradley Walsh
Ryan Sinclair: Tosin Cole
Yasmin Khan: Mandip Gill


Der Doktor, Ryan, Graham und Yaz entdecken am Rande eines norwegischen Fjords in der Gegenwart eine verbarrikadierte Hütte und das Mädchen Hanne, das ihrer Hilfe bedarf. Was mag hier geschehen sein? Welches Monster verbirgt sich in den Wäldern um die Hütte – und vielleicht auch weit darüber hinaus? (Text: bmk)


Blinde Mädchen haben es nicht leicht: Der Spiegel im Haus wird nicht nur seit Jahren „Da siehst du nix“-Fläche genannt, sondern ist auch noch ein Portal in die Bat-Höhle eines anderen Universums. Und der eigene Vater erklärt einem das alles nicht, sondern tritt jeden Tag mit runtergelassene Hose in dieses Portal, um seine Liebste auf der anderen Seite zu treffen. Wie gut, dass das Jugen… Tugendamt in Form des Doktors schon auf der Matte steht.

Inhalt: Der Doktor kommt in Norwegen raus. Hier ist ein einsames Mädchen sehr traurig, weil Vati schon so lange fort ist.

Review

Zuerst einmal ist ein großes LOB fällig. Und nein, das ist nicht – wie üblich – die Abkürzung für „Längst obligatorischer Besenklaps“. Denn das erste Mal in diesem Jahr konnte man fast auf die Idee kommen, gerade nicht die schlechteste SF-Serie des zweiten Halbjahres 2018 zu sehen.

Sei es nun das blinde Mädchen in der Blockhütte, die Geräusche im Wald, der mysteriöse Spiegel oder die dahinter liegende Welt mit der Beleuchtung einer Heavy-Metal-Geisterbahn: Bei jedem dieser Dinge war ich erst mal extrem interessiert. “Mister Drehbuchautor, Sir! Zeigen Sie mir, worauf Sie hinaus wollen! Hier! Da haben Sie weitere 5 Minuten meiner kostbaren Zeit als Trinkgeld.“ Zum ersten Mal seit Langem hatte ich sogar das Gefühl, dass die Klinke, die mir der Doktor die letzten Wochen über ans Knie gequatscht hat, zu einem gaaanz kleinen Türknauf schrumpfen könnte.

Als die Gruppe nach 20 Minuten immer noch im roten Licht herumwanderte und der fleischfressende Heini wirres Zeug faselte, war ich vollends auf dem Zug namens „Macht vielleicht keinen Sinn, sieht aber klasse aus“. Und das muss man erst mal schaffen mit einer mittelmäßig sprechenden Kinderdarstellerin (gegen die kann ein Dalek ja fast eine logopädische Praxis leiten) und den husch-husch aufgebau(sch)ten Standardstilmitteln. So wäre ich z.B. nicht böse gewesen, wenn der Doktor erst mal eine Vase statt den eigenen Kopp in das Dimensionsportal gehalten hätte. Aber gut, die Blumenkeramik war vermutlich für einen höheren Betrag versichert…?

Monster aus einer anderen Dimension, verschreckte Kids und verschollene Erwachsene… Das klang schon eher nach einer guten Who-Folge, nachdem die Themengebiete „Keinen Bock auf Indien-Krieg!“ und „Gibt es Prozesskostenbeihilfe bei Hexenprozessen?“ nicht sooo knallermäßig ankamen.

Die gesamte Erklärung des Phänomens hätte man sich dann allerdings schon denken können: Eine nie erwähnte Energie namens „Solitract“ musste früher mal aus dem Universum weichen, damit überhaupt Mathematik, Physik und Leberwurst mit Apfelstückchen entstehen konnte. Und damit das vertrackte Solitract nicht versehentlich wieder in unser Universum rumst, hat… äh… das Universum (welches?) natürlich einen „Buffer“ geschaffen. Nämlich eine Höhle, in der der dämonenhafte Kerl namens Ribbons Fleisch isst (äh, wessen Fleisch eigentlich?), während er mit roten Luftballons umherläuft, die gruselige Motten anlocken. – Alles klar soweit? Ist bis hierher ja eher klassische Science Fiction.

Wie auch immer… Weil das Solitract intelligent ist und unser Universum kennen lernen möchte (das kennt es nämlich gar nicht!), baut es unser Universum halbwegs akkurat nach (das kennt es nämlich sehr gut?) und lockt einen verantwortungslosen Vater zu sich. Dem imitiert es dann seine verstorbene Frau. Denn das Solitract-Universum wollte am Ende des Tages gar keine größeren Erkenntnisse über das Multiversum, sondern einfach nur Frühstückseier, Ehealltag und ab und zu im Bett hart rangenommen werden.

Damit der Vater in Ruhe mit dem Solitract rummachen konnte (das nebenberuflich auch noch die verstorbene Frau von unserem Grams imitiert), tat er in Bezug auf seine blinde Tochter das einzig Vernünftige: Er sagte ihr nichts, erzählte ihr was von Monstern im Wald und versteckte einen Lautsprecher im Garten, damit sie nicht wegläuft. Da können weiße, alleinerziehende Väter eben nicht aus ihrer Haut, wenn sie ihre nichtsehenden Töchter… äh… sehen: Genetisch bedingt müssen sie diese halt im Stich lassen und sich dabei auch keine großen Gedanken machen. („Wieso, Doktor? Da waren doch zwei alte Konservendosen und ein kaputter Dosenöffner im Kühlschrank?“)

Am Ende geschieht das, was alle vorhergesehen haben: Das Technobabble-Solitract-Dingsbums ist nach 2 Sekunden mit dem Doktor befreundet – und hat sich in einen Frosch auf einem Stuhl verwandelt. Leider geht das Universum aber jetzt kaputt, weil der Forsch nicht bedacht hat, dass Personen aus dem anderen Universum alles destabilisieren. Das kann einer Milliarden Jahre alten, gottgleichen Intelligenz mit Blockhütten-Fetisch ja schon mal passieren. Als der Weichzeichner ein bisschen zu sehr anschwillt, schickt die Amphibie den Doktor aber wieder zurück. Ende.

Jetzt mal ernsthaft: Man präsentiert uns 8 Folgen lang SF-Storys für Menschen, die SF-Storys hassen und kommt nun mit DIESER irren Geschichte daher, die man nicht mal ordentlich verprügeln möchte, weil man Angst hat, dass einem sonst das LSD um die Ohren staubt? Wobei ich sagen muss, dass ich diesmal nicht mal wütend bin, denn das immerhin hat man mal etwas anderes probiert. Dass dieses „andere“ so zusammengestöpselt wirkt wie Playmobil, das man mit der Heißklebepistole mit einer Lego-Welt vereint hat, ist mir da fast egal.

Überhaupt komme ich langsam in ein Alter, wo ich eine abstruse Geschichte lieber nehme als eine vollkommen vorhersehbare. So fand ich es beispielsweise nicht schlimm, dass der „Böse“ diesmal ein Gummimaskenträger war, der halt kurzzeitig vergessen hat, wie man NICHT von den Riesenmotten gefressen wird. Er hat ja auch bestimmt erst ein paar Jahre in der Paralleldimension… äh… dem Buffer-Universum gewohnt und kannte sich noch nicht so aus.

Sinn machte das alles vorne und hinten nicht. Was dann auch auf die Motivation des blinden Mädchens zutraf („Ich hau mal gerade den Companion um, damit ich alleine in den Strudel kann.“), sich bei der Motivation des Solitract-Frosches widerspiegelte („Ich weiß NICHTS über eure Welt. Außer wie sie aussieht, sich anfühlt und was all eure Toten wussten.“) und auch beim Doktor selbst nicht haltmachte.

Warum sollte diese Solitract-Geschichte von der Großmutter(!) des Doktors erzählt werden, aber von sonst keiner einzigen Person in Zeit und Raum? Hier hat man sich schnell mal eine Rechtfertigung zurechtgebogen, um Drogentrip-SF ein neues Zuhause zu geben.


Fazit

Die Geschichte ist banaler Bullshit und sinnbefreiter als eine Prequel-Serie, die noch vor dem Urknall spielt.

ABER immerhin gibt es diesmal seltsame Momente und schöne Bilder. Wo man in Indien noch Hochzeitsbändchen knüpfte, während man auf den Genozid wartete oder einem Hotelbesitzer beibrachte, dass giftiger Boden nicht nur in Comicheftchen irgendwelche Monstertiere entstehen lässt, so lässt man uns hier immerhin mit einem fetten Fragezeichen stehen.

Ich dachte wirklich, dass man sich DAS in dieser Staffel nicht mehr traut.

Und das ist mir am Ende lieber als das Gejaule über frauenfeindliche Höhlenmenschen im Jahr 50.000 vor Christus.


Bewertung: 2,5 von 5 TARDISse

 

 

 


Diese Review ist im Original auf Zukunftia.de zu finden!


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Daniel Klapowski
Redakteur
Daniel Klapowski ist Chef-Redakteur von Zukunftia.de, Klei— Feingeist und zudem ein weltberühmter Kenner auserlesener Weine unter zwei Euro. So lautet ein Auszug aus seiner legendären Sammlung von Trinksprüchen: „Fusel aus dem Karton so fein, hilft beim schnellen strulle sein. Prost!“.
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Daniel Klapowski

Daniel Klapowski ist Chef-Redakteur von Zukunftia.de, Klei— Feingeist und zudem ein weltberühmter Kenner auserlesener Weine unter zwei Euro. So lautet ein Auszug aus seiner legendären Sammlung von Trinksprüchen: „Fusel aus dem Karton so fein, hilft beim schnellen strulle sein. Prost!“.
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