CLASS
„NÄCHTLICHER BESUCH“
(„NIGHTVISITING“)
Erstausstrahlung DE: 18. April 2017
Erstausstrahlung UK: 29. Oktober 2016
Drehbuch: Patrick Ness
Regie: Ed Bazalgette
Produktion: Patrick Ness, Steven Moffat, Brian Minchin
Miss Quill: Katherine Kelly
Charlie: Greg Austin
Ram: Fady Elsayed
April: Sophie Hopkins
Tanya: Vivian Oparah
Mitten in der Nacht erscheint ein unerwarteter Besucher an Tanyas Fenster. Auch Ram und Miss Quill werden von verblüffenden Erscheinungen in Angst und Schrecken versetzt. Das hat folgenden Grund: In London treibt ein Alien sein Unwesen. Es kann sich in verstorbene Angehörige und Freunde verwandeln. Die Clique nimmt den Kampf gegen diese besondere Bedrohung auf. Nur so können sie verhindern, dass Tanya für immer verloren ist. (Text: One)
Der Tod, nein anders… die Verstorbenen tauchen im Umfeld der Coal Hill Akademie auf und das Doctor Who Universum betritt abermals das Gebiet der Geschichtenerzählung um die Frage „Was kommt nach dem Tod?“.
Es ist noch gar nicht so lange her, da haben wir in der 8. Staffel von New Who eine Verarbeitung des Themas Tod und Afterlife bekommen. Danny Pinks tragischer und unerwarteter Tod führte zu einer Exkursion zwischen Science Fiction, Fantasy und viel Tragik. Und obwohl in der Mutterserie Missy und die Cybermen involviert waren, das Jenseits, Seelen und sogar letzte Worte im Brennofen das Thema waren, schafft es Class mit der Folge „Nightvisiting“ doch eine viel dunklere – und wiedermal erwachsenere – Herangehensweise an das Thema zu finden.
Tanya sieht sich, am zweiten Jahrestag des Todes ihres Vaters, mit dem Abbild dessen, mitten in der Nacht, mitten in ihrem Schlafzimmer, konfrontiert. Er tauchte nicht auf, er kündigte sich nicht an, er war einfach da. Ein guter Kniff in dieser Folge, dass erst nach und nach die Hintergründe dieser nächtlichen Auftritte thematisiert werden. So, wie es uns präsentiert wird, hätte es Alles sein können. Ein Geist, eine Projektion, ein Klon… bewusst ließ man hier anfangs Raum für Spekulationen.
Natürlich ist nichts so, wie es scheint – und gerade Ram, der sich abermals seiner verstorbenen Freundin gegenübersieht, geht sofort der Ursache auf die Spur und lässt das Abbild, welches ihn schon seit der ersten Folge verfolgt, alleine zurück. Interessant ist hier der Aspekt, dass wir nicht wissen, ob er dies tut, weil er weiß, dass sie nicht echt ist, oder ob er der Konfrontation aus dem Weg gehen will. Ebenfalls interessant in dieser Beziehung ist, dass er offensichtlich noch (wie auch in „The Coach with the Dragon Tattoo“ zu sehen war) mit dem Verlust, oder gerade der Art des Verlustes zu kämpfen hat, sich in dieser Folge aber April annähert, so, dass es zwischen den beiden sogar zum Kuss kommt. Ob dies in ernsthaften Gefühlen begründet liegt (was man andeutungsweise so interpretieren kann) oder ob es eine reine Ablenkung ist (was wiederum zum Young-Adult-Konflikt dieser Serie passen würde), wird sich noch zeigen.
Wo ich gerade den Kuss zwischen April und Ram thematisiere, komme ich nicht umhin auch die Beziehung zwischen Charlie und seinem Freund anzusprechen und ebenfalls komme ich nicht umhin, hier einen Vergleich zu einer weiteren Serie des Whoniversums zu ziehen: Torchwood. War es doch so, dass uns Torchwood immer und immer (und IMMER) wieder versucht hat, Homo-, Bi- oder Whateversexualität als „normal“, von allen akzeptiert und sogar teilweise als Konzept der Zukunft zu verkaufen. Selbst in der dritten Staffel, als man wirklich eine Geschichte um Ianto und dessen plötzliche Bisexualität gesponnen hat und dort die Konfrontation mit dessen Familie gezeigt hat, mündete es im Endeffekt in vollkommener Akzeptanz. Natürlich ist das das beste Szenario, was man sich in so einer Situation vorstellen und wünschen kann, aber der bittere Beigeschmack, dass uns dort nur eine Seite dieser Medaille gezeigt wurde, blieb. Class zeigt in dieser Folge die andere, bittere und traurigerweise heutzutage noch weit verbreitete konservative Seite. Die Familie von Matteusz, der in dieser Folge Charlie seine Liebe gesteht, wusste von dessen Homosexualität. Aber als nun Charlie als Person in Erscheinung trat und die Familie nicht mehr nur diese gerade so tolerierte Seite Matteusz‘ ignorieren konnte, haben sie ihn verstoßen und das ganze zum Konflikt gemacht. Matteusz sucht nun Halt und Geborgenheit in den Armen von Charlie, was dieser ihm auch gewährt. Dieses Szenario ist leider nach wie vor sehr realistisch und gerade deswegen ist es gut, dass Class sich nicht scheut, diese unschöne Variante der Erzählung zu wählen.
Miss Quill sieht sich derweil ihrer toten Schwester gegenüber und scheint von allen Hauptfiguren die einzige zu sein, die dem Ganzen von Anfang an misstraut. Obwohl Ram selbst der Begegnung aus dem Weg gegangen ist, geht Miss Quill noch weiter und spielt mit ihrer vermeintlichen Schwester, um an Informationen zu gelangen. Es verwundert nicht, dass sie sofort diese Defensive fallen lässt, als ihr Charlie und Matteusz zur Seite standen. Jetzt mit Rückenwind kann die einstige Kriegerin die Hüllen fallen lassen und einen Weg finden, um die Stadt (und vor allem sich selbst und Charlie) zu retten. Man könnte sich darüber beschweren, dass die Charakterzeichnung von Miss Quill oft so eindimensional erscheint, so herzlos, so taff, so abwesend. Dann wiederum ist sie nach wie vor ein Alien, welches das kriegerische Potential in Chamäleons erkennt und sich fragt, ob die Tribute von Panem eine wahre Geschichte erzählen.
Am Ende der Story bleibt Tanya, die offensichtlich hin und hergerissen ist, zwischen der Sehnsucht nach ihrem Vater, aber auch der Trauer und der Wut, die der plötzliche Tod ihres Vaters hinterlassen hat. Es tut gut, Tanya in dieser Folge in emotionalerer und nachvollziehbarerer Weise zu sehen, als in den ersten Folgen. Bisher brachte der Charakter nicht mehr zustande, als für den lustigen Comic-Relief zu sorgen. Das Serienklischee der vorlauten Schwarzen. Aber hier wird, wie schon mehrfach bei Class, eine ganz andere Seite eines Charakters gezeigt. Eine Seite, die sogar eine Erklärung dafür liefern könnte, warum der Charakter bisher immer etwas überdreht dargestellt wurde. Tanya selbst sagt es, als sie es schafft, das böse Abbild ihres Vaters zu überlisten und zu vergiften: Ihre Wut über das plötzliche Ableben ihres Vaters übertrifft ihre Trauer in diesem Moment. Vermutlich gemischt mit der Wut über die Unverschämtheit, dass die Aliens es wirklich wagten, das Vermächtnis ihres Vaters an dessen Todestag zu beschmutzen. Es ist eine wirklich menschliche Seite der Trauer. Jeder der schon einen geliebten Menschen verloren hat, weiß, dass vor der Akzeptanz erstmal die Wut kommt. Und Tanya befindet sich, nach wie vor, in diesem Stadium. Ironisch ist dabei nur, dass sie am Ende der Folge, scheinbar durch diesen Zwischenfall, es schafft, den letzten Schritt in die Akzeptanz zu wagen, als sie mit ihrer Mutter über ihren Vater spricht. Diese letzte Szene steht im krassen Gegensatz zum Anfang der Folge, wo Tanya sich von ihrer Familie abgekapselt hatet und die Trauer in sich hinein fraß. Wieder ein Thema, welches Class schon mehrfach subtil ausrollte: Auch die schlimmsten Situationen können den Weg zu etwas Besserem bereiten.
Was uns mit „Nightvisiting“ präsentiert wurde, war eine Charakterentwicklung, oder besser, eine Charakterdarstellung, wie man es sich wünscht. Ein Umgang mit einen sehr schwierigen Thema, welches aber gerade dadurch sehr an Spannung gewinnt. Die Serie hält das vorherige hohe Niveau und legt sogar noch eine Schippe drauf.
BEWERTUNG: 4,5 von 5 TARDISse
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